Geschichte von «Stille Nacht»

Es dämmert, und der Schnee fällt pünktlich zum Heiligabend.

Julia ist allein zu Hause. Ihr Freund Christian hat sich entschlossen, über die Feiertage zu seinen Eltern zu fahren. Julias Geliebter Frank jobbt als Weihnachtsmann. Julia will sich heute Abend von Frank trennen. Vor einigen Wochen hat sie sich auf diesen erotischen Ausflug eingelassen, ohne ein Geheimnis daraus zu machen. Inzwischen wächst ihr das Hin und Her über den Kopf. Ihre Nachbarin Katja ist die erste, die von Julias Entscheidung, bei Christian zu bleiben, erfährt. Aufgewühlt, aber erleichtert wartet Julia auf Frank. In der Badewanne schwimmt der Karpfen, der für das Wir-können-doch-Freunde-bleiben-Essen zubereitet werden soll. Zum ersten Mal klingelt das Telefon. Christian ist am Apparat und berichtet stockend von einem Autounfall. Er sei in einem Krankenhaus. Irgendwo im Osten. Der Kopf, der werde operiert. Dann bricht die Leitung ab. Julia ist verzweifelt. Erneut klingelt das Telefon, diesmal ist es Frank. Er glaubt Christians Geschichte von dem Unfall nicht. Kein Arzt lässt einen Schwerverletzten ans Telefon. Tatsächlich wird auch Julia skeptisch und lässt sich von Frank zu einem erotischen Gespräch verführen - bis ihm das Geld ausgeht. Christian meldet sich zurück. Zerknirscht gesteht er seine Lüge. Julia reagiert zutiefst verletzt. Was für beschissene Methoden. Dabei hätte sie ihm freiwillig gesagt, dass sie ihn liebt und sich für ihn entschieden hat. Das erscheint ihr nunmehr fraglich. Sie schlachtet den Karpfen.

Christian ist nach Paris gefahren. Ohne gross zu überlegen. Hotel ‚Royal Pigalle’. Das Zimmer kennt er gut. Hier verlebten er und Julia ihre schönste Zeit. Die kleine Eiffelturmuhr auf dem Nachttisch ist jetzt festgekettet. Diebstahlsicher. Das gleiche Exemplar hat Julia damals mitgehen lassen. Christian setzt sich selbst ein Ultimatum. Acht Stunden müssten reichen, um zu erfahren, ob es für ihn und Julia eine Zukunft gibt. 2 Uhr 22. Eine gute Zeit zum Sterben. Das Zimmer ist im vierten Stock. Julia gegenüber verschweigt er diese sentimentale Reise. Er lässt sie glauben, er sei bei seinen Eltern. Draussen regnet es in Strömen. Das Gespräch endet im Streit.

Ein Unbekannter dringt in die Wohnung ein und findet Julia schlafend vor. Er verführt sie selbstbewusst und wortlos. Julia erwacht. Der Mann ist Frank. Und Julia vergisst jeden guten Vorsatz. Ihr sexuelles Verhältnis ist verspielt und aggressiv. Das Klingeln des Telefons unterbricht sie abrupt. Christian ahnt, was in seinem Bett vor sich geht, aber Julia leugnet. Während sie mit Frank schläft, rächt sie sich an Christian und lässt sich von ihm das Rezept für die Zubereitung des Karpfens durchgeben. Die Eiffelturmuhr im ‚Royal Pigalle’ spielt zu jeder vollen Stunde „Frère Jacques“. Julia hört das durch die Leitung und unterbricht jäh ihre Beschäftigung mit Frank. Christian ist also in Paris. Und bestimmt auch nicht alleine. Sonst müsste er nicht lügen. Mit wem fährt der nach Paris? Und noch dazu in ihr gemeinsames Hotel! Julia findet auf dem Anrufbeantworter mehrere Nachrichten einer gewissen Caroline und glaubt so ihren Verdacht bestätigt. Eifersucht keimt in ihr auf, und Frank scheint sie darüber zu vergessen. Der verschafft sich mit Hilfe von Christians Dienstwaffe Gehör. Er sei kein ‚Ganzkörpergeschlechtsorgan’ und er wird erneut von Christian per Telefon gestört. Er eintreisst Julia das Telefon und eröffnet dem Rivalen, dass er mehr von Julia will als Unverbindlichkeit, dass er sie liebt. Julia macht das Angst. Nicht noch ein zweiter Mann, der Ehepläne schmiedet. In die Enge gedrängt, reagiert sie mit einer Kurzschlusshandlung und schmeisst Frank raus. Von Christian verabschiedet sie sich per Fax. Und das steht in der Nachbarwohnung. Katja - im Gegensatz zu Julia - ist sichtlich darum bemüht, die Konflikte innerhalb ihrer deutsch-amerikanischen Jungfamilie nicht eskalieren zu lassen. Die Schweigereltern streiten über Louis Armstrong, Marlon Brando und Erbsenpistolen. Weihnachten geht auch vorbei.

Frank wartet im Treppenhaus. Er sperrt Julia aus und entführt sie wortlos zu einem wilden Spaziergang ins Schneegestöber der Berliner Nacht. Er trägt sie durch die menschenleeren Strassen und organisiert um Mitternacht noch einen Tannenbaum. Er macht es Julia so einfach, sich einmal mehr in ihn zu verleiben. Gemeinsam klettern sie von aussen über das Baugerüst zurück in Julias Wohnung. Frank schlägt die Scheibe ein und installiert den Baum.

Auch der Pigalle ist menschenleer. Auf dem Weg in eine Bar wird Christian fast überfahren. Die in die Jahre gekommene Sängerin flirtet mit ihm von der Bühne herab. Er sehnt sich nach Julia.

Heinz Rühmann liest im Fernsehen die Weihnachtsgeschichte vor. Das Telefon gibt keine Ruhe. Julia hat genug von Christians Lügen. Sie glaubt ihm nicht, dass er alleine ist. Es soll ihm recht sein. Er lässt sie in dem Glauben, dass er mit irgendeiner Caroline etwas hat. Als aber Julia mit ihr sprechen will, muss Christian schlagartig improvisieren...

2 Uhr 22 rückt unweigerlich näher. Und dann fällt in Paris der Strom aus...

SIDE B