Anmerkungen der Regisseurin Anna Thommen zu «Neuland»
Ich habe Herrn Zingg bei einem medienpädagogischen Filmprojekt mit seiner damaligen Klasse vor drei Jahren kennengelernt. Es beeindruckte mich, welches Vertrauen die Jugendlichen dem Lehrer schenkten. Als Herr Zingg mir von den unglaublichen Schicksalsgeschichten seiner Schüler erzählte, wurde mir klar, dass ich darüber einen Film machen wollte. Gemeinsam beschlossen wir, ihn und seine nächste Klasse von Schulbeginn bis Schulschluss während zwei Jahren zu begleiten.
Bei Drehbeginn war ich zunächst einmal einfach neugierig auf all die jungen Leute, die sich auf dem Pausenplatz einfanden und welche Geschichten sie wohl mitbringen würden. Dabei hatte ich - im Nachhinein betrachtet - durchaus meine Vorstellungen und Vorurteile über die verschiedenen Nationalitäten der Jugendlichen. Je länger ich filmte, desto weniger konnte ich in Stereotypen denken und umso vielschichtiger wurden die einzelnen Geschichten und Schicksale. Was folgte, war das Eingeständnis meiner Vorurteile und dass ich begann, nur noch die Menschen zu sehen, in all ihren Widersprüchen und fern ihrer Heimat.
Die grosse Herausforderung für mich begann dann aber erst im Schnitt: wie sollte ich diese intensiven Erfahrungen zweier Jahre in 90 Minuten Film aufzeigen und so einem Publikum zugänglich machen? Wie schaffe ich die Gradwanderung, einen dramaturgischen Spannungsbogen zu schaffen und trotzdem das Leben in seinen Graustufen zu zeigen?
Während monatelanger intensiver Auseinandersetzung mit dem Material ist nun die Erzählung NEULAND entstanden, von der ich mir erhoffe, dass sie die Zuschauer berührt und öffnet für die Schicksale dieser jungen Migranten, die tagtäglich in Not zu uns gelangen.