Rezensionen / Presse zu «Die wahren Liebhaber»
Alexandra Schneider, www.cinemabuch.ch
Auf den französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss geht das Konzept der «Bricolage» (was so viel heisst wie «Bastelei») zurück, um nicht professionelle Herstellungsprozesse zu beschreiben. Dem «Bastler», so Lévi-Strauss, stehen im Unterschied zum professionellen Handwerker keine Spezialwerkzeuge zur Verfügung, sein Tun ist deshalb in ausgeprägtem Masse von Improvisation und Spontaneität geprägt.
Beat Hess, Magda und Hans Läuchli, Otto Müller und Heinz Weibel sind solche Bricoleure, und zwar der besonderen Art: Sie alle verwenden ihre Freizeit darauf, im Kreise ihrer Familien und FreundInnen Filme herzustellen. Die wahren Liebhaber porträtiert die fünf Amateurfilmer und ihre Werke. Wie die Bricoleure machen auch sie aus der Not eine Tugend: Mit den wenigen Werkzeugen und den Dingen, die ihnen aus ihrem Alltag zur Verfügung stehen, versuchen sie möglichst knifflige und anspruchsvolle filmtechnische Wege zu beschreiten. Ob es sich um die Animation eines rohen Truthahns, der dem Kochvorgang zu entkommen versucht, handelt oder um aufwendige Untertitelungen, Musik- und Kommentarspuren, die mit einfachsten Hilfsmitteln fabriziert werden: Für alles haben der SBB-Angestellte, die Hausfrau, der pensionierte Lehrer und der Film-und-Foto-Händler eine Lösung parat.
Wie ein filmender Ethnologe versucht auch Peter Aschwanden, diese Welt und ihre Rituale mit der Kamera zu erforschen: Er schaut den Filmern beim Drehen über die Schulter, beobachtet sie bei Wettbewerbsanlässen, wo sie ihre Filme gegeneinander antreten lassen, und er integriert ihre Werke ausschnittweise in seinen Film. Aschwanden hat die ausgefallensten Werke dieser Hobbyfilmer ausgewählt: Erotik- und Werbefilme, autobiografische Therapievideos und Filme von vergleichbar ungeschicktem und zuweilen peinlichem Charme wie die gereimten Reden des Grossvaters anlässlich von Familienfesten. Dass die porträtierten Amateurfilmer am Schluss als eigenartige Spezies dastehen, hat mit Aschwandens Zugriff zu tun, der nur selten über den Gestus der exotisierenden Betrachtung und Präsentation hinauskommt. Im Unterschied zu anderen Dokumentarfilmen, die auch mit dem Problem konfrontiert sind, dass die Porträtierten möglicherweise der Lächerlichkeit preisgegeben werden, mangelt es hier vielleicht daran, dass Aschwanden selbst nicht ganz sicher ist, was er von dem halten soll, was er angetroffen hat.
PS: In der Schweiz werden jährlich etwa 2000 Amateurfilme und -videos gedreht.