Rezensionen / Presse zu «Der Choreograf HEINZ SPOERLI»

Basler Zeitung / Stephan Reuter, 15. April 2010

Eine Dokumentation blickt dem Doyen des neoklassischen Balletts in der Schweiz über die Schulter. Ein Film mit der spröden Eleganz einer Probenchronik.

Im Bauch des Opernhauses, in einem fensterlosen, verspiegelten Kellergeschoss trainiert Heinz Spoerlis Zürcher Ballett den Bach-Abend «Wäre heute morgen und gestern jetzt». Er hat die Kamera im Frühstadium der Proben eingelassen. Das ist mutig. Denn was der Zuschauer sieht, sind erste Schritte auf dünnem Eis.

Ungelenk hebt Vahe Martirosyan die Tänzerin Yen Han über die Schulter. Arman Grigoryan sieht zu, bereit einzugreifen. Das Pas de trois wirkt Lichtjahre entfernt von der schwerelosen Körperkunst einer Uraufführung. «No, no», unterbricht Spoerli. «So hab ich das nicht vorgemacht, ich habe nichts gebogen.» Ungeduldig ist Spoerli bei den Proben. Und dünnhäutig, wenn die Tänzer nicht flink genug begreifen, was er sehen will.

Seit 1973 choreografiert der 69-jährige Basler für eigene Companys, in Basel, Düsseldorf und Duisburg, in Zürich. Fast 200 Werke hat er geschaffen. Und noch immer kann ihn der Zeitdruck einer Produktion verärgern – aber auch berauschen.

Werner Zeindlers Film folgt der Probenarbeit akribisch bis zur Premiere, streut selten Interviewstoff ein, und wenn, dann mit Spoerli selbst, der zugibt: «Sprechen ist nicht mein Metier.» Aber das «tänzerische Alphabet» beherrscht er wie wenige auf seinem Niveau.

 

TagesAnzeiger / Felizitas Ammann, 21. April 2010

Film über sein Leben für den Tanz

Sein Leben ist Tanz, seit über einem halben Jahrhundert. Der 70-jährige Heinz Spoerli hat als Solist an verschiedenen Bühnen getanzt, selbst gegen 200 Werke geschaffen und unzählige Preise erhalten. Doch von diesem Künstlerleben erfahren wir kaum etwas in Werner Zeindlers Dokumentarfilm "Der Choreograf HEINZ SPOERLI". Die erste Einstellung ist symptomatisch: Da sehen wir nicht den Künstler selbst, sondern die prunkvolle Fassade seines Wirkungsorts, der Zürcher Oper.

Der Film begleitet über fünf Monate hinweg die Entstehung des Stücks "Wäre heute morgen und gestern jetzt" zu Musik von Bach: von den ersten Versuchen auf der Probebühne über das tägliche Training, die Entwicklung der Ausstattung und Orchesterproben bis zum Applaus nach der Premiere. Zwar erhält man Einblick in Nervosität und Anspannung, doch der Film bleibt davon seltsam unberührt. Auch die Gespröche mit der Dramaturgin Beate Breidenbach bleiben vage. Über seine Arbeit erfährt man kaum Neues und wenig Konkretes: Spoerli betont seine Offenheit verschiedensten Musikstilen gegenber (was Ausschnitte aus älteren Werken eindrücklich belegen) und vergleicht seine Arbeit mit der Malerei.

Sehenswert sind die Bilder. Die wunderbaren Tänzerinnen und Tänzer des Zürcher Balletts begeistern in den kurzen Ausschnitten aus verschiedenen Stücken. Vor allem aber sind die Probeneinblicke spannend. Harte Arbeit ist das, ein mühevolles Ausprobieren von einzelnen Bewegungen und ganzen Gruppenformationen. Spoerli erklärt kaum etwas. Nur kurze Befehle ruft er in den Raum, gibt mit einem knappen "Okay" seine Zustimmung oder bricht mit einem ungeduldigen "Forget it" ab.

Manchmal aber tanzt er selbst die Passaagen vor, die er sich ausgedacht hat - und sein mittlerweile rundlicher, aber agiler Körper spiegelt auf eindrückliche Weise die vielen Jahrzente eines Lebens für den Tanz.

 

20 Minuten, 21. April 2010

An einer Dankesrede meint «Tanzmacher» Spoerli, dass er kein Meister der Worte, sondern des Tanzes ist. Dementsprechend setzt Werner Zeindlers Dokumentarfilm-Porträt auf Bilder statt Worte. Man sieht Spoerli beim Improvisieren und Proben im Ballettsaal. Im Dialog mit den Tänzerinnen und Tänzern lässt er oftmals spontan die Musik zu Bewegung werden. Der anstrengende Arbeitsprozess fordert eine intensive Auseinander­setzung von allen Beteiligten, bis schliesslich die Persönlichkeiten der Tanzenden zusammen mit Musik, Bühnenbild, Licht und Kostümen zu einem Ganzen werden. Je näher die Premiere rückt, desto mehr Nervosität und Intensität wird spürbar. Spoerli ist ebenso Perfektionist wie grandioser Erzähler, der Inhalt seiner ­Geschichten sind getanzte Lebensbilder.

So spannend die verschiedenen Tanzstile (selbst für fachliche Laien), so störend die nasale Erzählstimme, die den Betrachter durch das Geschehen führt. Das Fehlen ­kritischer Statements macht «Spoerli – Ich bin Tanzmacher» mehr zum PR-Video denn zum Kinofilm. Unterhaltsam, stellenweise unfreiwillig komisch sind die Probearbeiten alleweil.

SIDE B